Kanton Bern (BE)
Köniz-Liebefeld (BE), Thomaskirche
Das klangvolle, vierstimmige Geläut der Thomaskirche in Liebefeld (Gemeinde Köniz) war bei Anwohnern und Glockenkennern schon immer berüchtigt für seine geradezu lästige Lautstärke. Gerade bei den Kircheneingängen wurde man vom Klanggetöse förmlich ins Innere 'gescheucht', der Aufenthalt draussen war nicht angenehm. Grund dafür waren die akustisch sehr resonanzreiche Betonglockenstube und die tiefe Hängeposition der Glocken nur wenige Meter über dem Erdboden. Die Anbringung von Kunststoffmatten in Schwungrichtung und neue Klöppel aus der Zeit um 2000 konnten das Problem nur unwesentlich entschärfen. Messungen der Firma Rüetschi vom Sommer 2011 bestätigten, dass bereits eine Glocke, erst recht das Vollgeläute in der Nähe des Turms, wo die Kirchgänger normalerweise vorbeigehen, Schallintensitätspegelwerte im Bereich von bis zu 104 dB (A) ergaben - ein Wert, der nur im Falle weniger, gänzlich offener Türme leicht überboten wird.
Im Zusammenhang mit einer Turmsanierung 2014 war zunächst eine aufwendige Hinterbauung der Öffnungen durch rohe Holzriemen geplant. Die jüngsten positiven Eindrücke von der Läutsystemumstellung in Kehrsatz b. Bern bewegten jedoch dazu, die Schallpegelreduktion ebenfalls durch Beschwerung der Joche und mit vorschwungslosen Fallklöppeln zu versuchen. Diese Variante, bei der die Aufprallgeräusche reduziert werden und der Klöppel langsamer aufprallt, sollte erlauben, dass das Geläute in der Nähe nicht nur leiser, sondern auch klangschöner und wärmer empfunden wird, ausserdem war damit nach wie vor eine gute Fernwirkung gewährleistet. Die leicht teurere Variante der Holzriemen hätte den Glockenklang bei wirksamer Schallreduktion nahezu eingemummt, in zunehmender Ferne wäre er kaum noch zu hören gewesen. Als ergänzende Variante blieb diese "Einhausung" vorerst dennoch im Budgetplan, sollte aber nur noch im Falle wirklicher Notwendigkeit vorgesehen bleiben.
Die Umstellung fand im Winter 2014 statt, und kurz vor Weihnachten wurde zum ersten Mal wieder geläutet. Dabei zeigten sich noch Umstellungsprobleme bei Glocke 2, ansonsten aber wurde der neue Klang umgehend positiv aufgenommen. Wie es sozusagen der "sozialen Zielsetzung" entsprach, konnte man sich von nun an auf dem Kirchplatz auch während des Läutens gut unterhalten, und das Geläut wirkte fortan einladend und nicht abstossend. Der Glockenklang bleibt zwar kräftig und präsent, wird aber als viel angenehmer, freundlicher und wärmer empfunden. Eine Analyse der Frequenzspektren ergab, dass durch die Umstellung nicht nur die Knallgeräusche des Klöppelaufpralls gedämmt wurden, sondern dass auch die gellenden und ehemals so störenden Hochfrequenzen von über 4000 Hz nicht mehr angeregt werden. Diese qualitativen Verbesserungen waren mindestens so entscheidend wie die Senkung des Schallintensitätspegels, dessen Spitzenwerte im Nahbereich des Turmes nun nur noch im Bereich von 98 dB (A) liegen. Angesichts der Tatsache, dass in der Schweiz viele grössere Geläute auch in ganz herkömmlichen Türmen nicht selten Werte bis zu 102 dB (A) erreichen, darf diese Schallreduktion auch statistisch als beeindruckender Schritt bezeichnet werden. Auch das Stundenschlagwerk mit herkömmlichem Fallhammersystem konnte durch geringeres Aufziehen der Hämmer modifiziert und die Lautstärke reduziert werden.
Das Geläut wurde in den darauffolgenden Wochen aufmerksam angehört und die Umstellung auch in der Presse publik gemacht. Die allgemeine Zufriedenheit war - auch bei zuvor geplagten Nachbarn - so gross, dass auf die Einhausung verzichtet werden konnte.
Thomas Christen, Ressortleiter Bau, Kirchenkreis Liebefeld
und Matthias Walter, beratender Glockenexperte